Das Aufwachsen von Kindern kann aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden: Der erste und wichtigste Ort des Aufwachsens ist die Familie – als Sozialisations- und Bildungsort. Hier können wir uns z.B. fragen, in welchen Familienkonstellationen, unter welchen familialen Bedingungen Kinder aufwachsen. Weitere wichtige Orte des Aufwachsens und der Bildung sind frühpädagogische Institutionen wie z.B. Kindertageseinrichtungen. Hier stellt sich u.a. die Frage, welche Bedeutung diese Institutionen im Verlauf der kindlichen Bildungsbiographie heute haben oder inwiefern Kinder von einem Besuch profitieren. Im Folgenden werden ausgewählte Statements präsentiert, die zum Nachdenken über das Aufwachsen von Kindern in Deutschland anregen.
Lesen Sie die jeweilige Aussage sorgsam durch und schätzen Sie ein, ob diese stimmt oder nicht.
Das stimmt!
Das stimmt nicht!
Die Familie spielt die wichtigste Rolle für die Entwicklung eines Kindes.
Die Familie ist „als Ort des informellen Lernens nicht nur der früheste Bildungsort, sondern auch derjenige, der Kinder und Jugendliche am dauerhaftesten und umfassendsten beeinflusst“. (Walper & Grgic, 2019, S. 161)
Der Großteil der minderjährigen Kinder in Deutschland wächst bei Alleinerziehenden auf.
Laut Familienreport 2017 lebten „fast drei Viertel der minderjährigen Kinder in Deutschland (…) gemeinsam mit verheirateten Eltern im Haushalt, 18 Prozent wuchsen bei Alleinerziehenden und 9 Prozent bei [nicht-ehelichen] Lebensgemeinschaften auf“. (BMFSFJ, 2017, S. 16)
Für die Entwicklung von Kindern ist es nicht bedeutsam, in welcher Familienform (alleinerziehendes Elternteil, zwei Mütter oder zwei Väter, Vater und Mutter) sie aufwachsen.
Kinder und Jugendliche in sogenannten Regenbogenfamilien entwickeln sich ebenso gut wie Kinder in anderen Familienformen. Rupp (2009, S. 308) fasst zusammen, dass „für die Entwicklung der Kinder (…) nicht die Struktur der Familie, sondern die Qualität der innerfamilialen Beziehungen“ entscheidend ist.
Die meisten Kinder in Deutschland wachsen als Einzelkind auf.
„Drei Viertel der Kinder wuchsen mit mindestens einer Schwester oder einem Bruder auf“, formuliert der Familienreport 2017 (BMFSFJ, 2017, S. 16).
Trennen sich (heterosexuelle) Elternpaare, ist der Vater für die Kinder nicht mehr wichtig.
Der Vater bleibt für die Kinder „auch nach einer Trennung und dem Verlassen des gemeinsamen Haushalts (…) wichtig. 63 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden geben an, dass ihnen der Vater sehr wichtig bzw. wichtig ist“. (BMFSFJ, 2017, S. 20)
In Deutschland lebt etwa ein Drittel aller Kinder unter 18 Jahren in Familien mit Migrationshintergrund.
Rund 34 Prozent der Kinder in Deutschland, die unter 18 Jahre alt sind, leben in Familien mit Migrationshintergrund. Insgesamt sind dies „rund 4,3 Millionen minderjährige Kinder (…). Ein Großteil von ihnen (86 Prozent) hat keine eigene Migrationserfahrung“. (BMFSFJ, 2017, S. 24)
Bei fast jeder Scheidung sind Kinder betroffen.
Der Familienreport 2017 zeigt auf, dass „etwa bei der Hälfte aller Scheidungen (…) gemeinsame minderjährige Kinder betroffen“ (BMFSFJ, 2017, S. 42) sind.
Armutsrisiken haben für Kinder keine negativen Folgen.
Armut ist ein Risiko, da „Kinder in armutsgefährdeten Familien [zum einen] häufig ein geringeres Wohlergehen auf[weisen]. Zum anderen schränken unzureichende materielle Rahmenbedingungen die Lebensqualität der gesamten Familie ein“. (BMFSFJ, 2017, S. 55)
Kinder profitieren nicht vom Besuch einer Kindertageseinrichtung.
„Wenn Kinder eine Kindertageseinrichtung nutzen, hat dies (…) positive Effekte auf ihre Entwicklung und ihr Wohlergehen“, so formuliert der Familienreport 2017 (BMFSFJ, 2017, S. 56). Dabei werden kurz-, mittel- und längerfristige Zusammenhänge unterschieden, die zudem vielfältig und komplex sind. Bezogen auf den kognitiv-leistungsbezogenen Entwicklungsstand von Kindern zeigen sich positive Auswirkungen der pädagogischen Qualität von Kindertagesbetreuung – während und nach der KiTa-Zeit (Kluczniok, 2018, S. 417). Inkonsistent sind – längerfristig betrachtet – dagegen die Befunde zu den Auswirkungen pädagogischer Qualität auf die sozial-emotionale Entwicklung. Kluczniok (2018, S. 417) fasst schließlich zusammen, dass sich insgesamt „bedeutsame Einflüsse der pädagogischen Qualität im Kindergarten auf die spätere kognitive und sozial-emotionale Entwicklung von Kindern“ zeigen. Diese Erkenntnisse stammen überwiegend aus internationalen Studien. Für Deutschland wird weiterhin ein Forschungsdefizit herausgestellt.
Zu den häufigsten und auch Lieblingsaktivitäten im Alltag von Kindern zwischen zwei und fünf Jahren gehört das Spielen – drinnen und draußen.
Ihren Alltag verbringen Kinder im Vorschulalter mit Aktivitäten, die dominiert werden (jeden oder fast jeden Tag) „vom Spielen (drinnen: 85 %; draußen: 63 %)“. (mpfs, 2015, S. 7)
Kaum ein Kind unter drei Jahren verbringt einen Teil seines Alltags in Kindertagesbetreuung.
Der Anteil der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesbetreuung wächst kontinuierlich (Statistisches Bundesamt, 2018, 2019). Es wird etwas mehr als jedes dritte Kind unter drei Jahren außerhalb der Familie betreut.
Die Betreuung von Kindern außerhalb der Familie gehört heute zur Normalbiographie von Kindern unter sechs Jahren.
Zum Stichtag 31.03.2019 besuchen in Deutschland 34,3 Prozent der Kinder unter drei und 93 Prozent der Kinder zwischen drei und unter sechs Jahren eine Kindertagesbetreuung (Statistisches Bundesamt, 2019). Damit gehört der Besuch einer Kindertageseinrichtung in Deutschland zur Normalbiographie eines Kindes zwischen drei und unter sechs Jahren.
Kinderrechte müssen nicht erworben werden, sondern sind Ausdruck der jedem Kind innewohnenden Würde.
Jedes Kind trägt von Geburt an Rechte. Diese „Kinderrechte müssen nicht erworben oder verdient werden, sie sind nicht abhängig von bestimmten Eigenschaften, sondern unmittelbarer Ausdruck der jedem Kind innewohnenden Würde“ (Maywald, 2014, S. 4).
Da das Verhältnis zwischen Kind und Erwachsenem asymmetrisch ist, tragen Erwachsene für Kinder mehr Verantwortung als Kinder umgekehrt für Erwachsene. Die sogenannte „Entwicklungstatsache“ (Maywald, 2014, S. 4) stellt das Bedürfnis von Kindern nach besonderem Schutz, besonderer Förderung sowie auch besonderen, kindgerechten Beteiligungsformen heraus. „Für eine gesunde Entwicklung sind sie [die Kinder] auf Erwachsene angewiesen, die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Kinder zu ihrem Recht kommen“, fasst Maywald (2014, S. 4) zusammen. Er führt weiter aus, dass „mit der Anerkennung besonderer Bedürfnisse von Kindern, die von denen der Erwachsenen unterschieden werden können, (…) die Erkenntnis verbunden [ist], dass Kinder einen eigenen, auf ihre spezielle Situation zugeschnittenen Menschenrechtsschutz benötigen“ (ebd., S. 5). Die Achtung von Kindern als Rechtssubjekte ist eine bedeutende pädagogische Aufgabe.
Kinderrechte sind im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert.
Die UN-Kinderrechtskonvention wurde 1990 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und trat 1992 für Deutschland in Kraft. Im Grundgesetz verankert sind die Kinderrechte nicht (Stand: 2019). Eine solche Grundgesetzänderung wird politisch und gesellschaftlich diskutiert.
Kindertageseinrichtungen nehmen einen Schutzauftrag für das Wohl des Kindes wahr.
Das Achte Sozialgesetzbuch regelt in § 8a den Schutzauftrag von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl. Zu den Einrichtungen und Diensten, die diesen Schutzauftrag erfüllen müssen, gehören auch Kindertageseinrichtungen.
Wissen über das Aufwachsen von Kindern wird auf unterschiedlichen Wegen geschaffen. In dieser Aufgabe wurde im Wesentlichen auf zwei ausgewählte Forschungsberichte zurückgegriffen:
Der Familienreport der Bundesregierung ist erstmals 2009 erschienen. Er berichtet seitdem umfassend über Daten und Informationen rund um das Familienleben und die Familienpolitik in Deutschland. Zunächst erschien der Familienreport jährlich, dann in etwas größeren Abständen. Der Aktuellste, der hier zu Grunde gelegt wurde, ist aus dem Jahr 2017 (BMFSFJ, 2017). Inzwischen können somit auch Entwicklungen auf einer breiten Datenbasis längsschnittlich nachgezeichnet werden. Grundlage bilden sowohl aktuelle Daten, z.B. des Statistischen Bundesamtes, sowie wissenschaftliche Studien und repräsentative Bevölkerungsumfragen.
Die miniKIM-Studie zur Mediennutzung von Kindern zwischen zwei und fünf Jahren wurde bisher 2012 und 2014 vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) durchgeführt. Es handelt sich um eine querschnittlich angelegte Untersuchung, die keine Auskunft über Verläufe und Veränderungen im engeren Sinne geben kann. Die hier berichteten Ergebnisse stammen aus der repräsentativen miniKIM-Studie 2014 (mpfs, 2015), die als Befragung von 623 Haupterziehenden – mehrheitlich Müttern – von Kindern der genannten Altersgruppe angelegt war. Die Ergebnisse spiegeln daher „die Mediennutzung der Kinder aus der Perspektive der Eltern“ (mpfs, 2015, S. 3).
Das Wissen darüber, wie Kinder heute aufwachsen, ist ein wesentlicher Motor, um in den frühpädagogischen Arbeitsfeldern auf Bedarfe und Themen von Kindern und Familien professionell zu (re-)agieren. Es regt zum Nachdenken an und stellt eine wesentliche Grundlage pädagogischen Handelns dar.